Es kommt häufig vor, dass unsere polnische Kanzlei von Mandanten kontaktiert wird, die Zweifel an der Gültigkeit eines Testaments haben, das von einer ihnen bekannten Person verfasst wurde. Meistens stehen diese Zweifel im Zusammenhang mit dem Verdacht auf eine psychische Erkrankung oder Demenz der Person, die das Testament verfasst hat. Was ist in einem solchen Fall wissenswert?

Art. 945 des polnischen Zivilgesetzbuches kennt drei Mängel der Testamentserklärung, wodurch das errichtete Testament ungültig wird. Diese sind im Folgenden aufgeführt:

Der Zustand, der eine bewusste oder freie Willensbestimmung und Willensäußerung ausschließt.

Er kann insbesondere die Folge einer psychischen Erkrankung, einer mentalen Retardierung oder einer anderen, sogar nur vorübergehenden Störung der psychischen Funktionen sein. Um ein Testament für ungültig zu erklären, ist es wichtig den Bewusstseinszustand des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung zu untersuchen. Infolgedessen ist ein Testament ungültig, wenn der Erblasser auch nur unter dem Einfluss einer vorübergehenden psychischen Störung steht (z.B. unter dem Einfluss von starken Medikamenten, Drogen oder Alkohol). Wenn andererseits der psychisch Kranke einen vorübergehenden Entzug (sog. lucidum intervallum) erfährt und dann ein Testament verfasst, dann ist es gültig. Es ist sehr schwierig, diese Umstände, oft Monate oder sogar Jahre nach der Testamentserrichtung, zu bestimmen. Daher ist das Fachwissen eines Gerichtssachverständigen erforderlich. Der Sachverständige wird seine Stellungnahme auf zuverlässige medizinische Aufzeichnungen des Verstorbenen und auf die Aussagen von Zeugen stützen. Erwähnenswert ist hier die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, dass das Testament gültig ist, wenn der vom Gericht bestellte Sachverständige nicht in der Lage ist festzustellen, ob der Erblasser bei der Errichtung seines Testaments nüchtern oder betrunken war (Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 22. Mai 2013, III CZP 22/13).

Der Irrtum, der die Vermutung begründet, dass der Erblasser ein Testament dieses Inhalts nicht errichtet hätte, wenn er nicht unter dem Einfluss des Irrtums gehandelt hätte.

Zum Beispiel: Der Erblasser verfasst ein Testament, in dem er die Person, die sich als sein Enkel ausgibt, für den gesamten Erbfall als Erbe bestimmt. Tatsächlich ist er ein Hochstapler. Wenn der Erblasser gewusst hätte, dass er nicht sein Enkel ist, hätte er ihn niemals als Erbe eingesetzt. In einem solchen Fall liegt ein wesentlicher Fehler vor, der das Testament ungültig macht. Es muss jedoch in jedem Fall individuell geprüft werden. Der Oberste Gerichtshof stellte zum einen fest, dass die Vorschläge Dritter die Entscheidungsfreiheit nicht ausschließen, weil sonst fast jede Willenserklärung von dem fraglichen Mangel betroffen wäre, da man selten völlig frei handelt. Andererseits ist aber auch das Testament des Erblassers ungültig, der sich aufgrund seines Alters und von Krankheiten, die seine Tätigkeit und Willenskraft beeinträchtigen, dem Druck und den Vorschlägen Dritter, unter deren Obhut er steht (I CSK 115/11), nicht widersetzen kann.

Die Drohung.

Im polnischen Zivilgesetzbuch wird eine Drohung nicht definiert. Nicht-gesetzliche Definitionen werden durch die Rechtsdoktrin formuliert. Danach liegt eine Drohung vor, wenn eine bestimmte Person dem Erblasser die Absicht erklärt, negative Folgen für den Erblasser herbeizuführen, um auf seiner Seite einen Bedrohungszustand (eine Zwangssituation) herbeizuführen, der den Erblasser zur Abgabe einer Testamentserklärung mit einem bestimmten Inhalt veranlassen soll.  Sie muss den Erblasser veranlassen, ein Testament zu verfassen, dessen Inhalt nicht seinem tatsächlichen Willen entspricht. Die Drohung muss durch das Verhalten einer anderen Person erfolgen. Es ist jedoch nicht ausreichend, wenn die Zwangssituation aus der inneren Furcht des Erblassers vor, von der ihn bedrohenden Person unabhängigen Phänomenen, z.B. einer Naturkatastrophe, resultiert. (Ciszewski Jerzy und Knabe Jakub. Art. 945 In: Zivilgesetzbuch. Kommentar. Wolters Kluwer Polska, 2019).

Frist für die Nichtigkeitserklärung.

Das Wichtigste, woran man denken muss, ist die Frist für die Nichtigkeitserklärung des Testaments. Die Frist beträgt drei Jahren ab dem Tag, an dem der daran Interessierte vom Grund der Nichtigkeit erfahren hat. Nach dem Ablauf von zehn Jahren seit dem Erbfall gibt es keine Möglichkeit mehr das Testament für nichtig zu erklären. Die Frist beginnt jedoch aus offensichtlichen Gründen nicht zwischen der Errichtung des Testaments und dem Tod des Erblassers zu laufen (Beschluss des Landgerichts in Gdańsk vom 1. Juni 2011, Aktz. III Ca 144/11). Erst nach dem Tod des Erblassers wird es möglich, die Rechte auf das Erbe (und das Testament) geltend zu machen.

Dieser Beitrag stellt keine Rechtsberatung dar.

Berlin, Posen, Stettin, den 08.09.2020

MAJEWSKI Polnischer Anwalt