Seit einigen Wochen steht Europa vor einer noch nie dagewesenen Bedrohung. Die Coronavirus-Pandemie hat nicht nur in unserem Lebensstil, sondern auch in der Wirtschaft rasche Veränderungen bewirkt. Die amerikanische Börse hat die schlechtesten Notierungen seit über 30 Jahren verzeichnet. Die langfristigen Auswirkungen dieses Zusammenbruchs sind heute noch nicht absehbar. Man stellt sich nun die Frage, ob die polnische Gesetzgebung auf solche Situation entsprechend vorbereitet ist? In diesem Beitrag wollen wir auf die Vorschriften des polnischen Rechts hinweisen, die in Kürze an der Bedeutung gewinnen können.

Clausula rebus sic stantibus  (Klausel der gleichbleibenden Umstände) nach polnischem Recht

Die obige lateinische Parömie bedeutet so viel wie "außerordentliche Veränderung der Beziehungen". Diese Klausel ist im Artikel 3571 § 1 des polnischen Zivilgesetzbuchs geregelt. Es wurde nur eingeführt, um die Vertragsparteien vor einem eklatanten Verlust zu schützen, den sie nicht erwarten konnten, weil sie den Vertrag unter völlig anderen Bedingungen abgeschlossen haben. Als Beispiel für eine solche Situation in Zeiten von Epidemien und geschlossenen Grenzen kann man auf jeden Werk- oder Bauvertrag verweisen, bei dem sich eine zur persönlichen Ausführung verpflichtete Person in einer Zwangsquarantäne befindet. Auch die Unternehmer der Transportindustrie haben mit Problemen zu kämpfen. Schließung der Grenzen, Wiederherstellung der Grenzkontrollen, Aussetzung der internationalen Flüge etc. All diese Umstände verringern das Einkommen und die finanzielle Leistungsfähigkeit der Unternehmen erheblich. Wenn eine Vertragspartei aufgrund der Auswirkungen einer Pandemie weiß, dass die Umsetzung des Vertrages für sie übermäßig schwierig sein wird oder zu einem großen Verlust führen wird, kann sie sich an das Gericht um Hilfe wenden. Es ist sehr wichtig zu beachten, dass Sie nicht selbst entscheiden können, ab wann Sie weniger oder später bezahlen. Es kann lediglich vor Gericht entschieden werden, ob der Inhalt des Vertrags der neuartigen Situation angepasst werden kann. Vor Gericht können die Art und Weise der Erfüllung der Verpflichtung und der Umfang der Leistung bestimmt werden oder sogar beschlossen werden, den Vertrag zu kündigen.

Verjährung von Ansprüchen in Polen

Eine Verjährungsfrist bestimmt den Zeitpunkt ab wann sich ein Schuldner nach Ablauf einer gesetzlichen Frist der Erfüllung einer Leistung für den Gläubiger entziehen kann. Die Verjährungsfristen sind in Polen unterschiedlich als in Deutschland. Die polnische Verjährungsfristen variieren für Unternehmer und Verbraucher und sind für einzelne Verträge unterschiedlich. Zum Beispiel betragen sie bei Ansprüchen aus einem Kaufvertrag im Allgemeinen zwei Jahre. Für Ansprüche zwischen Transportunternehmen und Spediteuren betragen sie nur sechs Monate. Ansprüche aus einem Werkvertrag verjähren nach zwei Jahren, Ansprüche aus einem Bauvertrag hingegen nach drei Jahren. Die Nichtbeachtung der Verjährungsfristen ist für den Gläubiger in der Regel mit dem Verlust der Chance auf Rückzahlung der erbrachten Leistung verbunden. 

Doch wie kann man in einer solchen Situation einer globalen Pandemie einen Rechtsstreit einleiten?

Im polnischen Zivilrecht gibt es bestimmte Sonderregelung, die diese Situation für Gläubiger erleichtern können. Gemäß Artikel 121 Absatz 4 des polnischen Zivilgesetzbuchs (Kodeks cywilny) beginnt die Verjährungsfrist nicht und ist in Bezug auf alle Ansprüche gehemmt, wenn der Anspruchsberechtigte sie aufgrund höherer Gewalt nicht vor einem Gericht oder einer anderen, zur Verhandlung von Fällen einer bestimmten Art, berufenen Stelle - für die Dauer des Hindernisses - geltend machen kann. Wenn also eine höhere Gewalt dazu geführt hat, dass ein Gläubiger seine Ansprüche nicht mehr vor Gericht geltend machen kann, beginnt die Verjährungsfrist entweder gar nicht oder sie stoppt für die Dauer der Handlungsunfähigkeit und läuft danach (nicht erneut!) weiter. Für Verbraucher kann auch Artikel 117 (1) § 1 des polnischen Zivilgesetzbuchs von der Bedeutung sein, der vorsieht, dass das Gericht in Ausnahmefällen nach Abwägung der Interessen der Parteien den Ablauf der Verjährungsfrist für einen Anspruch gegen den Verbraucher außer Acht lassen kann, wenn dies aus Billigkeitsgründen erforderlich ist. Die in Europa entstandene Situation sollte von den Gerichten sicherlich als Ausnahmefall, in dem die legitimen Interessen der Bürger besonders geschützt werden müssen, behandelt werden.

Aussetzung von Gerichtsverfahren

Wenn ein Gläubiger bereits ein Gerichtsverfahren eingeleitet hat, aber infolge einer Pandemie Umstände eingetreten sind, in deren Zusammenhang er z.B. gezwungen war, sich in einem anderen Land aufzuhalten oder sich in eine langfristige Quarantäne begeben musste, sollte geprüft werden, ob Artikel 174 Absatz 1 Ziffer 3 der polnischen Zivilprozessordnung (KPC) gilt. Diesem Artikel nach setzt das Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, wenn eine Partei oder ihr gesetzlicher Vertreter sich in einer Stadt befindet, die aufgrund außergewöhnlicher Ereignisse keine Verbindung zum Sitz des Gerichts hat. Während einer solchen Aussetzung laufen keine Fristen, sie beginnen erst mit dem Beginn des Verfahrens zu laufen. Die Fristen des Gerichts werden erforderlichenfalls neu festgesetzt. Während der Aussetzung darf das Gericht keine Maßnahmen ergreifen, außer zur Einleitung eines Verfahrens oder zur Sicherung einer Klage oder von Beweisen. Handlungen der Parteien, die sich nicht auf diese Gegenstände beziehen, werden erst nach Einleitung des Verfahrens wirksam. Es sei jedoch daran erinnert, dass das Gericht, um das Verfahren von Amts wegen auszusetzen, sich der Umstände bewusst sein muss. Das bedeutet, dass die Partei das Gericht informieren muss.

Dieser Beitrag stellt keine Rechtsberatung dar. Benötigen Sie im Zusammenhang mit der durch die Pandemie verursachten Situation rechtlichen Beistand? Haben Ihre Schuldner die Zahlungen eingestellt? Müssen Sie Ihren Vertrag kündigen, um sich vor einem großen Verlust zu schützen? Erwarten Sie, dass Ihr Unternehmen in Konkurs geht? In jedem der oben genannten Fälle wird empfohlen, mit einer polnischen Anwaltskanzlei zusammenzuarbeiten, um weitere zivil- und strafrechtliche Probleme zu vermeiden.

Berlin, Posen, Stettin, den 19.03.2020  

MAJEWSKI Polnischer Anwalt