Die polnische GmbH ist eine insolvenzanfälligste Unternehmensform. Aus diesem Grund gewinnt die Thematik rund um die Geschäftsführerhaftung an der Bedeutung. Mit diesem Aufsatz fangen wir eine Reihe der Beiträge über verschiedene Aspekte der Haftung des GmbH-Geschäftsführers in Polen an. In der Vorbereitung befinden sich die folgenden Themen: die Binnenhaftung gegenüber der Gesellschaft, Treupflicht in Polen, Insolvenzverschleppung in Polen.

Das polnische Insolvenzrecht unterliegt in den letzten Jahren einer tiefen Modernisierung. Am 01. Januar 2016 trat das Gesetzt vom 15. Mai 2015 über Umstrukturierung in Kraft, die das polnische Insolvenzrecht umfassend geändert hat. Zu den wichtigsten Änderungen gehört die Änderung des Begriffs – Zahlungsunfähigkeit sowie die Änderung der Regeln der Haftung des Personenkreises, der zur Insolvenzantragstellung verpflichtet ist.

a) Frist zur Stellung eines Insolvenzantrages in Polen

Laut Art. 21 Abs. 1 des polnischen Insolvenzrechts ist der Schuldner zur Stellung des Insolvenzantrags innerhalb von 30 Tage ab dem Tag verpflichtet, in dem Insolvenzgrund eingetreten ist. Bisher war es nur 14 Tage. Früher war es fast unmöglich die Frist von 14 Tage einzuhalten. Innerhalb von 30 Tage kann auch ein zahlungsunfähiger Unternehmer einen Antrag auf Eröffnung eines Umstrukturierungsverfahrens stellen.

Es ist zu beachten, dass diese Frist von 30 Tage einen maximalen Charakter hat. Dies bedeutet, dass die Geschäftsführern des Schuldners einen Insolvenzantrag noch vor dem Ablauf dieser Frist stellen sollten. Vor allem sollte es geschehen, wenn die Zahlungsunfähigkeit offensichtlich und keine Umstrukturierung in Frage kommt. Nach Art. 299 § 2 des polnischen Gesetzes über Handelsgesellschaften kann der Geschäftsführer von der in § 1 genannten Haftung befreit werden, wenn er nachweist, dass er rechtzeitig der Insolvenzantrag oder Antrag auf Umstrukturierung gestellt wurde (…). Aus dieser Vorschrift ergibt sich die gesellschaftsrechtliche Haftung des GmbH-Geschäftsführers in Polen. Daher kann ein Warten bis zum Ablauf von 30 Tage eine gesellschaftsrechtliche Haftung zur Folge haben. In einem solchen Fall kann es von den Gläubigern behauptet werden, dass der Insolvenzantrag nicht rechtzeitig gestellt wurde, obwohl nach dem Insolvenzrecht den Geschäftsführern 30 Tage zustanden.

b) Insolvenzgrund in Polen

Wie es auch in deutschem Insolvenzrecht der Fall ist, wird ein Insolvenzverfahren gegenüber dem Schuldner eröffnet, der zahlungsunfähig ist. Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (so Art. 11 Abs. 1 des polnischen Insolvenzrechts). Es wird vermutet, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen, wenn eine Verzögerung der Zahlungen von 3 Monaten vorhanden ist (so Art. 11 Abs. 1a des polnischen Insolvenzrechts). Der Schuldner, der eine juristische Person ist oder kraft Gesetzes eine Rechtspersönlichkeit hat, ist auch zahlungsunfähig, wenn die bestehenden Zahlungsverbindlichkeiten das Vermögen des Schuldners überschreiten und dieser Stand mehr als 24 Monaten dauert (so Art. 11 Abs. 2 des polnischen Insolvenzrechts). Diese polnische Regelung entspricht dem deutschen Begriff der Überschuldung nach § 19 der Insolvenzordnung.

c) Haftung für die Verletzung der Insolvenzantragspflicht in Polen

Die zur Stellung eines Insolvenzantrags verpflichteten Personen haften für einen Schaden, der dadurch entstanden ist, dass der Insolvenzantrag nicht fristgemäß gestellt wurde (so Art. 21 Abs. 3 des polnischen Insolvenzrechts). Im Falle der Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs von einem zahlungsunfähigen Schuldner wird vermutet, dass der Schaden dem Gläubiger in der Höhe der nicht beglichene Forderung zusteht. Es ist eine wesentliche Erleichterung. Früher war es sehr schwer einem Gläubiger die Haftungsvoraussetzungen und die Höhe des Schaden nachzuweisen.

Selbstverständlich kann sich ein Geschäftsführer gegenüber einem Gläubiger verteidigen. Er muss nachweisen, dass ihm keine Schuld an einer nicht fristgemäßen Insolvenzantragstellung zu geben ist. Bezüglich der Höhe des Schaden kann der Schuldner diese bestreiten.

Ein praktischer Fall betrifft die Gesellschaften, in denen viele Geschäftsführern gibt und eine Aufgabenverteilung vorhanden ist. Im Prinzip sind alle Geschäftsführer zur Insolvenzantragstellung verpflichtet. In vielen Gesellschaften gibt es ein CFO – chief financial officer, der sich mit den finanziellen Angelegenheiten beschäftigt und eine Liquidität auf Laufenden prüft. Eine Zahlungsunfähigkeit kann für die übrigen Geschäftsführern nicht erkennbar sein. Eine solche Situation ist juristisch sehr kompliziert. Die polnische Rechtsprechung ist der Meinung, dass eine innere Aufgabenverteilung die gesellschaftsrechtliche Haftung nicht ausschließt.

Posen, Stettin, Berlin, den 13.09.2017

Paweł Majewski, LL.M. (Universität Potsdam)
Polnischer Anwalt / Radca Prawny (Mitglied der Rechtsanwaltskammer Berlin)